Die Holzdorfer Elster
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Das „Ländliche Einkaufszentrum“ (LEZ) oder umgangssprachlich „Landwarenhaus“ (Konsum) Holzdorf

Das Landwarenhaus im Jahr 1957 

Das 1. Landwarenhaus des Kreises Jessen wurde am 28.11.1956 in Holzdorf eröffnet. Am Eröffnungstag waren ca. 4.000 Kunden in den Räumlichkeiten unterwegs.

So begann es … Kurzer geschichtlicher Hintergrund!

Unmittelbar nach Ende des 2. Weltkrieges begann die Reaktivierung der durch die Nationalsozialisten aufgelösten Konsumgenossenschaften. In der Sowjetischen Besatzungszone wurde durch den SMAD-Befehl Nr. 176 vom 18.12.1945 dafür die Grundlage geschaffen. Gleichzeitig war damit auch die Rückübertragung des Altvermögens der liquidierten Konsumgenossenschaften angeordnet. Hinter dem SMAD steckte die Sowjetische Militäradministration.


Befehl Nr. 176 

Neben der staatlichen Handelsorganisation (HO) etablierten sich die Konsumgeschäfte mit ihrem Rückvergütungssystem sehr schnell zum wichtigsten Akteur im Einzelhandel. Formal waren die Konsumgenossenschaften zwar selbständig, aber trotzdem eng mit dem System der Planwirtschaft verbunden und somit hatte das politische System der DDR natürlich starken Einfluss und bestimmte deren Geschick. So folgten die Konsumgenossenschaften ab 1953 auch willig einer Empfehlung des Politbüros der SED, sich vorrangig auf die Versorgung der ländlichen Bevölkerung zu konzentrieren. Als Folge wurden in nahezu jedem noch so kleinen Dorf Verkaufsstellen eingerichtet. Rentabilität spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle.


Von der Verteiler- zur Verkaufsstelle

Der „Erste Konsum“ Bild „Der Konsum“ am Bahnübergang


Der 1. Konsum am Bahnübergang (heute Hauptstraße 27). Betrieben wurde dieser von den Eheleuten Inge und Erhard Wendler.





Bereits 1946 verfügte Holzdorf über eine Konsum-Verteilerstelle. Wie dieses System funktionierte, geben folgende Nachrichten aus dem „Amtlichen Nachrichtenblatt des Kreises Schweinitz“ einen kleinen Einblick:

 „12.03.1948 - Für 5 kg Altpapier in Prämienmarken konnten folgende Waren bezogen werden: 2 Schachteln Streichhölzer oder 20 Stück Papiertüten oder 2 Stück Schulhefte“.

  „15.12.1948 - Weihnachtssonderzuteilung - 250 g Zucker oder Süßwaren und 500 g 72%iges Weizenmehl erhielt die Bevölkerung über die „Gesamtlebensmittelkarten“ des Monats Dezember“.


1951 zog dann der Konsum in das Gebäude, Hauptstraße 122 (heute Volksbank). Durch den Umzug stand nun viel mehr Verkaufsfläche zur Verfügung. Dadurch konnte das Warenangebot deutlich erweitert werden. Außer Lebensmittel gab es jetzt auch Möbel und Spielwaren.



Das „Ländliche Einkaufszentrum“ (Landwarenhaus)

1956 erfolgte dann der dritte und letzte Umzug des Konsums. Für unser Dorf, zur damaligen Zeit, schon ein beträchtlicher Prestigegewinn. Für die Bevölkerung des Ortes und der Umgegend war es natürlich eine spürbare Steigerung der Lebensqualität. Das Sortiment erweiterte sich um Haushaltswaren, Textilien und später noch Fleisch- und Wurstwaren. Alle Waren des täglichen Bedarfs gab es nun zentral an einem Ort.

So ging es dann über drei Jahrzehnte ohne großartige Veränderungen weiter. Das Landwarenhaus kam langsam in die Jahre. Die vorhandenen Räumlichkeiten entsprachen nicht mehr den Anforderungen der Zeit, auch die Arbeitsbedingungen waren alles andere als zufriedenstellend.

Erzählungen meiner Mutter zeichnen ein gutes Bild über die Arbeitsbedingungen und Verhältnisse dieser Zeit:

Die einzelnen Positionen wurden per Hand von der Ladefläche des LKWs gereicht, egal ob Getränkekästen, Sackware, Kisten usw. Eine ausreichend große Laderampe, Hubwagen oder andere Transporthilfen waren nicht vorhanden. Sie wären für die Verbringung in das Gebäude auch nicht einsetzbar gewesen. Treppen, enge verwinkelte Gänge, die auch als Zwischenlager dienten, Lagerräume im Keller, Verkaufsräume im Obergeschoss, Barrierefreiheit oder ein Aufzug waren nicht vorhanden.

Diese Schilderung zeichnet ein klares Bild der Schwierigkeiten. Die Brigadebücher geben einen weiteren internen Zustandsbericht:

„Havarie“ am 3.12.1985 gegen 11:00 Uhr - Das erhitzte Wasser der Heizungsanlage überschwemmte den Keller. Die herbeigerufene Freiwillige Feuerwehr pumpte den Keller leer. Die PGH „Haustechnik“ konnte den Schaden bis 16:00 Uhr beheben.

„Havarie“ am 2.1.1987 - Die Spülung in der Damentoilette löste einen großen Schaden aus. Das Becken einer Toilette stand auf einmal mitten im Raum. Die Ursachenermittlung ergab, dass die gesamten Abflussleitungen erneuert werden mussten. Die Reparaturarbeiten durch die PGH „Haustechnik“ begannen eine Woche später. Nach ca. 14 Tagen war der Schaden behoben. In dieser Zeit mussten die Angestellten die Toilette der Nachbarin, Frau Richter, nutzen.

„Havarie“, Mitte Oktober 1987 - Heizungsanlage machte wieder einmal Probleme. Das gesamte Wasser der Anlage lief unter den Verkaufsraum der Lebensmittelabteilung. Der darunter liegende Kanal musste komplett aufgestemmt werden. Um die Versorgung mit Lebensmitteln sicherzustellen, wurde der Verkauf kurzfristig in den Saal der HO-Gaststätte verlegt.

1988 erfolgte mit dem Anbau (heutige Käserei) die letzte Weiterentwicklung des Landwarenhauses. Dann aber überschlugen sich die politischen Ereignisse und mit der Wendezeit begann gleichzeitig der Untergang des Landwarenhauses in Holzdorf.

Nach der Wende versuchten verschiedene Firmen im Landwarenhaus ihr Glück:

1991 entstand ein SB-Markt, 2005 ein Truckerimbiss und die Fleischerei Baehr, 2009 die Käserei Cheese Oriental, 2011 eine Pizzeria.


  • 22b_Konsum Landwarenhaus_2
  • 22c_Konsum Landwarenhaus_3
  • 22d_Konsum Landwarenhaus_5
  • 22e_Konsum Landwarenhaus_4
  • 22g_Konsum Landwarenhaus_ca.1990
  • 22n_Konsum Landwarenhaus_2_2003
  • 22h_Konsum Landwarenhaus_1_2004
  • 22i_Konsum Landwarenhaus_1_2006
  • 22l_Konsum Landwarenhaus_1_2011


Heute bietet der Anblick ein sehr trauriges Bild. Das Altgebäude ist baulich verunstaltet und eine vernünftige Herrichtung kann man sich nur mit sehr viel Fantasie vorstellen. In der Bevölkerung spricht man nicht ohne Grund von einem Schandfleck in der Gemeinde. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob der Verfall weiter voranschreitet oder ob es langsam bergauf geht. Ich bin verhalten optimistisch. Eins ist aber so sicher wie das „Amen in der Kirche“, die Geschichte des Konsums und des Landwarenhauses in Holzdorf ist geschrieben, es ist unwiderruflich Vergangenheit.

Weitere Hintergrundinformationen

Ende 1987 verfügten die 200 Konsumgenossenschaften und die 14 Konsumgenossenschaftsverbände der Bezirke über mehr als 30.000 Verkaufseinrichtungen, 6.000 Gaststätten, 14 Backwarenkombinate sowie 16 Fleischwarenkombinate und -betriebe.


Quellen:

Bundesarchiv DY30-IV-2/2022/111
Landesarchiv Sachsen-Anhalt K2-Nr._3906
Amtliche Nachrichtenblätter des Kreises Schweinitz
Brigadebücher des LEZ
Ortschronik

www.genostory.de
www.zentralkonsum.de
Bilder: Ortschronist

Bearbeitungsstand: 01.06.2025
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